Paul Weis: Ein Leben für den Schutz geflüchteter Menschen
Die Steyler Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ und der Bezirk Favoriten würdigten den weithin unbekannten Mitverfasser der Genfer Flüchtlingskonvention.
Er widmete sein Leben dem Schutz geflüchteter Menschen: Der aus Wien-Favoriten stammende Jurist Paul Weis war maßgeblich an der Entstehung jenes Dokuments beteiligt, das bis heute den Schutz geflüchteter Menschen sichert – der Genfer Flüchtlingskonvention. Bei einer Feierstunde im Festsaal der Bezirksvorstehung Favoriten wurde am 19. November 2025 an den in Vergessenheit geratenen Wiener erinnert und seine Verdienste gewürdigt. Der Sohn einer jüdischen Unternehmerfamilie im 10. Bezirk machte in seiner Jugend selbst die Erfahrung von Verfolgung, Vertreibung und Flucht: 1939 gelang es ihm aus dem Konzentrationslager Dachau zu entkommen und nach England zu flüchten.
Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ sorgt sich um Flüchtlinge
Zu der Veranstaltung unter dem Titel „Wie ein Favoritner die Welt veränderte“ hatten die Bezirksvorstehung Favoriten und die von den Steyler Missionaren geleitete Favoritner Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ eingeladen. In Vertretung des aus gesundheitlichen Gründen verhinderten Pfarrers P. Matthias Felber SVD begrüßte Peter Puschner, Leiter des Gemeindeausschusses von St. Johann, die zahlreichen Besucher:innen. Die Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ sei seit vielen Jahren in der Flüchtlingsarbeit engagiert, so Puschner. Geflüchtete Menschen wurden z.B. im Bosnien- und Syrienkrieg in der Pfarre aufgenommen und beherbergt, zusammen mit anderen Wiener Pfarren habe man sich im „Pfarrnetzwerk Asyl“ zusammengeschlossen. Der „kalte Wind“, der geflüchteten Menschen derzeit entgegenblase, und die Tatsache, dass mit Flüchtlingen „Politik gemacht werde“, sei Motivation für die Pfarre gewesen, die Würdigung von Paul Weis zusammen mit dem Bezirk zu organisieren, sagte Puschner.
Bezirksvorsteher Marcus Franz betonte in seinen Begrüßungsworten, dass er stolz sei, dass eine so bedeutende Persönlichkeit aus Favoriten stamme, die allerdings den wenigsten Menschen bekannt sei. Er sehe es als Aufgabe für den Bezirk, Paul Weis und sein Werk bekannter zu machen. Die Veranstaltung solle der Start dafür sein.
Gutbürgerliches Leben endete abrupt
In seiner Laudatio zeichnete der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak den Lebensweg und beruflichen Werdegang von Paul Weis nach: Am 19. März 1907 wurde Weis als Sohn einer jüdischen Unternehmerfamilie im 10. Bezirk geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und promovierte mit nur 23 Jahren an der Universität Wien in internationalem Recht. Nach dem Tod seines Vaters 1934 übernahm er mit seinen Schwestern die Likör-, Essig- und Fruchtsaftfabrik in der Favoritner Wielandgasse. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1938 wurde die Firma arisiert. Paul Weis wurde von der Gestapo verhaftet, gefoltert und kam mit einem der ersten Transporte aus der „Ostmark“ ins Konzentrationslager Dachau. Von dort gelang es ihm zu entkommen: Ein 1939 erworbenes Einreisevisum für Großbritannien rettete ihm das Leben. In England wurde er fast ein Jahr lang interniert. „Paul Weis überlebte als Einziger seiner Familie. Seine beiden Schwestern wurden in einem Vernichtungslager ermordet, seine Mutter starb 1943 in einem jüdischen Altersheim“, berichtete Nowak.
Vom Flüchtling zum Architekten der Flüchtlingskonvention
Seine eigenen traumatischen Erfahrungen sowie die Verfolgung, Deportation und Ermordung geliebter Menschen ließen Paul Weis das Schicksal geflüchteter Menschen verstehen und prägten sein Denken und Handeln. 1942 trat er in England dem Jüdischen Weltkongress bei. Als dessen Rechtsvertreter war er führend an der Rückforderung jüdischen Eigentums in Europa beteiligt.
Weis übersiedelte nach Genf, wo er in den Dienst der Internationalen Flüchtlingsorganisation trat und 1949 deren erster Schutzdirektor wurde. Der gebürtige Österreicher war stellvertretender Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und Leiter der dortigen Rechtsabteilung. In dieser Funktion war er maßgeblich daran beteiligt, jenes Dokument zu verfassen, das erstmals den Schutz geflüchteter Menschen sicherte: Die Genfer Flüchtlingskonvention. Vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR wird Paul Weis als „Gründervater des Schutzes“ bezeichnet. Postum wurde der 1991 in Genf verstorbene und begrabene Paul Weis mit dem Nansen-Flüchtlingspreis ausgezeichnet. Zum Abschluss seiner Laudatio ging Manfred Nowak auch auf die aktuelle Situation geflüchteter Menschen ein. Er sei sich sicher, dass sich Paul Weis „im Grabe umdrehen würde, wenn er wüsste, wie heute mit Flüchtlingen umgegangen wird“.
Paul-Weis-Preis zeichnet Verdienste um Menschenrechte aus
Zu den Redner:innen bei der von Eser Akbaba moderierten und vom Akkordeon-Künstler Otto Lechner musikalisch gestalteten Veranstaltung zählten auch die Schauspielerin Katharina Stemberger und der Jurist Lukas Gahleitner-Gertz. Stemberger ist Vorsitzende von „Courage 2023 – Allianz für Flucht und Vernunft“. Die zivilgesellschaftliche Initiative verleiht seit 2023 den Paul-Weis-Preis an Menschen und Organisationen für Verdienste um die Menschenrechte. Der Asylrechtsexperte Lukas Gahleitner-Gertz ist Sprecher des Vereins „Asylkoordination Österreich“.
Eine Videobotschaft an die Gäste schickte Volker Türk: Der Österreicher ist seit 2022 Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Davor bekleidete er verschiedene Positionen beim UN-Flüchtlingshochkommissariat. Türk erzählte davon, dass er „das Privileg“ hatte, Paul Weis persönlich kennenzulernen und erinnerte daran, dass Österreich einst ein Herkunftsland von Flüchtlingen gewesen sei und viele geflüchtete Österreicher:innen – so wie Paul Weis – Großes geleistet hätten.
Mag. Ursula Mauritz,
Steyler Missionare
Fotos: Peter Puschner, UNHCR




























