Buchta

Lieber Ladislaus,
Wir lernten uns im Februar 1974 kennen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich mit meiner Mama und meiner älteren Schwester wieder nach Wien gezogen. Im Jänner 1973 war unser Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und Mama suchte nach einer neuen Perspektive. Msgr. Josef Vollnhofer suchte damals eine Haushälterin für die Pfarre St. Anton. Unsere Mutter hat sich entschieden diese Herausforderung anzunehmen und so sind wird nach Favoriten gezogen. Wir haben zwar nicht im Pfarrhof gewohnt, aber dort eine schöne Zeit verbracht.
Du bist als Kaplan von der Pfarre St. Josef am Wolfersberg im 14. Bezirk, in die Pfarre St. Anton in den 10. Bezirk gekommen. Dort hast Du gemeinsam mit Kaplan Friedrich Pechtl und Kaplan Elmar Mayer im zweiten Stock des Pfarrhofs gewohnt.
Im ersten Stock wohnte Pfarrer Josef Vollnhofer. Dort haben wir viele, lustige Stunden verbracht (es gab sogar ein eigenes Kinderzimmer für meine Schwester und mich). Abgesehen von den gemeinsamen Mittagessen – Du kamst aus der Schule vom Religionsunterricht (HS Leibnizgasse und später AHS Laaerbergstraße) und ich aus dem Kindergarten und später aus der Schule; feierten wir die Geburts- und Namenstage der gesamten Tischgemeinschaft, feierten Weihnachten, Ostern und Pfingsten wie in einer Familie, aber eben ein bisschen anders als in anderen Pfarrhöfen – mit den zwei Kindern der Haushälterin, drei Kaplänen (die im Pfarrhof wohnten), einem Kaplan (der im Pfarrgebiet wohnte und für das Waldkloster zuständig war), einem Kapuzinerpater, zwei Pastoralassistentinnen und über viele Jahre hindurch diverse Diakone (einer sei stellvertretend genannt: Helmut Schüller).

Die Tischrunde traf sich aber auch zu TV-Ereignissen die Österreich prägten. Kaplan Pechtl und Du sorgten für das tragbare TV-Gerät. Somit war es möglich die Olympischen Spiele 1976 Innsbruck, diverse Hahnenkammrennen oder die Fußball Weltmeisterschaft 1978 Argentinien vom Esstisch aus zu sehen.

Nach meiner Erstkommunion wurde ich dann Ministrant in St. Anton und Du warst unser Ministranten-Kaplan!! Unsere Ministranten-Stunden waren nicht nur als Vorbereitung für den Dienst am Altar gedacht bzw. von Proben für diverse Hochfeste geprägt, es durfte auch der Spaß, die Freude und die Bewegung nicht zu kurz kommen. Also gab es immer auch Zeit für ein Fußballmatch (am Sandplatz am Gelände des alten Pfarrheimes) als Abschluss der Ministranten-Stunde am Freitag.
Besonders gerne erinnere ich mich an die Zeit der Fußball Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Kaplan Friedrich Pechtl war als Seelsorger der österreichischen Nationalmannschaft live dabei und alle hofften ihn einmal im Fernseher zu erblicken. Für Dich war es eine freudige „Pflicht“ die Österreich-Matche im TV zu sehen. Uns Ministranten hast Du mit deiner Freude angesteckt. Manche Ministranten-Stunde musstest Du flott und straff organisieren, um rechtzeitig zu Beginn eines wichtigen Matches fertig zu sein. Im speziellen an eine Messe die zeitgleich mit einem Italien Match stattfand. Es war wohl die kürzeste Messe in der Geschichte der Antonskirche! Denn dann ging es in deine kleine Wohnung im Pfarrhof, um dort mit Dir ein Spiel der österreichischen Nationalmannschaft zu verfolgen.
Mit Dir verbindet mich auch ein technisches „Gerät“ das heute in sehr, sehr vielen Haushalten zu finden ist > eine Spielkonsole!! Damals war es etwas ganz Besonderes!! Daher erinnere ich mich an Winternachmittage die ich mit Dir und Kaplan Pechtl mit dieser Spielkonsole verbracht habe. Genauso haben wir uns an der Carrera Bahn duelliert.

Du hast mit mir meine Erstkommunion und meine Firmung gefeiert und meinen Lebensweg vom Kindergarten über die Schulkarriere  begleitet. Ich für mich kann sagen: „Ich habe mit Dir eine schöne Zeit erlebt und vieles von Dir gelernt!“
Nach dem plötzlichen Tod von Kaplan Friedrich Pechtl im Alter von 41 Jahren hat sich vieles verändert, vor allem auch für Dich. Du hast die Pfarre St. Johann Evangelist am Keplerplatz als Pfarrer übernommen und unsere gemeinsamen Wege haben sich getrennt. Es gab aber nach wie vor Berührungspunkte bei gemeinsamen Festen des Dekanates Favoriten, wie z. B.: Fronleichnamsprozessionen und anschließende Agapen, das Singfest der Favoritner Kirchenchöre in der Antonskirche und vieles mehr)
Ich habe Dich nie vergessen – wir haben uns einfach nur aus den Augen verloren.
Umso größer war meine Freude als ich Dich vor einigen Wochen im Böhmischen Prater, wo ich heute mit meiner Familie lebe, begrüßen durfte. Es war ein Wiedersehen in Augenhöhe, als wären die letzten Jahrzehnte nicht vergangen – nur das wir beide etwas älter geworden sind oder besser gesagt etwas reifer?

Lieber Ladislaus, bleib gesund und der Kirche in Favoriten noch viele Jahre erhalten. Es bräuchte viele mit Deinem „Amtsverständnis“!!
Herzlichst
Dein ehemaliger Ministrant
Günter Buchta